Grenzen

Foto: Jane

Wir werden geboren und nach fast 10 Monaten in einem Kokon erleben wir die erste Grenzerfahrung unseres Daseins:

die Abgrenzung zwischen unserer Mutter und uns selbst.

Ein unheimlich bewegender Moment für Eltern und die ursprünglichste Erfahrung für das Kind.

Vormals eingehüllt in die weiche und wärmende Schutzhülle des Körpers unserer Mutter, stehen wir der Welt das erste Mal schutzlos gegenüber.

Unter einer Art Käseglocke der Familie werden wir genährt, geliebt, umsorgt.

Wir wachsen mit natürlichen Grenzen unserer Bezugspersonen auf

Wie weit kann ich gehen ?

Was sollte ich lieber unterlassen?

Was darf ich und in welchem Umfang ?

Um Grenzen in unseren jungen Jahren sinnvoll und liebevoll vermittelt zu bekommen, braucht es aufmerksame Zeit, Zuwendung,

unerschöpfliche elterliche Liebe, Verständnis und Konsequenz.

Als kleine Kinder sind wir darauf angewiesen, dass uns Eltern, Großeltern und andere Erwachsene einen guten Weg aufzeigen,

in einem sicheren Rahmen Bestätigung und auch Abgrenzung zu erleben.

Meine Mutterrolle zeigt mir heute jeden Tag, wie herausfordernd diese Aufgabe sein kann. Und auch wie schwer es sein kann, ein gesundes Mittelmaß zu finden.

Kinder testen in der Kleinkindphase energisch die Grenzen ihrer Bezugspersonen aus und entdecken, was dahinter steht und auch fällt.

Da wird mal geschimpft und auch getobt, wütend mit dem Fuß aufgestampft und als Mutter in ein Kissen gebrüllt, um Wut oder Anspannung loszuwerden.

Ganz normale Grenzen im familiären Miteinander

Im Laufe unserer jugendlichen Entwicklung erfahren wir immer mehr, wo andere Menschen ihre Grenzen setzen und warum es sie zu beachten gilt.

In der Pubertät lehnen wir uns wieder auf, rebellieren oder ziehen uns auch mal ganz zurück.

Was jetzt passiert, habe ich an mir selbst sehr intensiv gespürt:

Wir entwickeln eine eigene Identität

Die gefühlte und oft beschriebene massive körperliche Entwicklung (bei mir das „Frau-Werden“, bei Jungs zum Beispiel der Stimmbruch)

bringt Unsicherheit und auch Ängste mit sich.

Dazu kommen gesellschaftliche Erfahrungen aus dem eigenen Umfeld.

Mag mich mein Umfeld ?

Wird meine erste große Liebe erwidert ?

Was denken andere Mitschüler oder Freunde wirklich über mich ?

Das Selbstbewusstsein entwickelt sich. Wir verlieben uns, erleben Zugehörigkeit und Geborgenheit durch Freundschaft.

Die Familie prägt unser Bild über Ideale.

Und wir grenzen uns langsam, aber stetig von unseren Bezugspersonen ab.

Wir setzen selbst erste Grenzen

Durch Schule, Hausaufgaben und steigende Anforderungen werden wir weiterführend geprägt, gefördert und limitiert.

Wir müssen gewisse Dinge tun, damit wir innerhalb eines Kollektivs funktionieren können.

Wir können nicht mehr – wie kleine Kinder – toben und stampfen oder schreien.

Die Gesellschaft um uns und unsere individuellen Lebensbedingungen geben uns bereits allen rote Linien vor, welche wir nicht übertreten sollten.

Ohne Fahrschein Bus fahren und dafür Strafe zahlen müssen.

Jeden morgen auf Arbeit gehen müssen, um Geld zu verdienen.

Im Mehrfamilienhaus seinen eingeteilten Kehrdienst einhalten, damit die Nachbarschaft intakt bleibt.

Alltägliche Dinge, die wir alle kennen und befolgen, um keine Tabugrenzen zu brechen oder Anerkennung in der sozialen Umgebung zu verlieren.

Und wir trauen uns, eigene Entscheidungen zu treffen und uns von Meinungen anderer abzukoppeln.

Umso älter wir werden, desto mehr Grenzen spüren und setzen wir selbst

Wir gehen noch engere Bindungen ein, in welchen wir die persönlichen Grenzerfahrungen unseres Gegenübers einbeziehen müssen.

In Partnerschaften stellen sich neue Fragen:

Wie geht mein Partner mit meinen Grenzen um ?

Schaffe ich es diesbezüglich tolerant zu sein ?

Respektiert er auch Rückzug, dem Beharren auf der eigenen Meinung ?

Finden wir einen Konsens, der uns beiden gerecht wird ?

Ich selbst habe nur sehr weiche Grenzen in meiner elterlichen Erziehung gespürt.

Wir Kinder durften sehr viel.

Aber nicht, weil alles erlaubt wurde, sondern weil meine Eltern zu sehr mit sich beschäftigt waren.

Dadurch habe ich mich oftmals taumelnd durch die Welt bewegt und wusste nicht, ob ich das Richtige tue.

Wo ist meine Referenz ?

Wie es der Jugend Freude bereitet, sich ihres Wachstums bewußt zu werden, muß es für das Alter eine Freude sein, die einengenden Grenzen fallen zu sehen.

Leo Tolstoi (1828 – 1910), russischer Erzähler und Romanautor

Bis vor einigen Jahren war mir nicht bewusst, das die Entwicklung gesunder Grenzen nach innen und außen vor allem im Elternhaus beginnt.

Das es dort essentiell ist, eigene emotionale und persönliche Barrieren respektvoll zu setzen.

Das es wichtig ist zu erkennen, wie wertvoll es für ein Miteinander ist, eine tolerante Basis erschaffen, in welcher sich alle selbstverständlich abgrenzen dürfen.

Dies bewerte ich vor allem durch meine Mutterrolle neu, da ich hier oft eigene Grenzen im Erleben spüre.

Grenzen, die mich zwingen auch noch einmal zurückzuschauen.

Meine Grenzen wurden oft übertreten

Zeitweise habe ich gedacht, es wäre normal, dass ich Dinge tue, obwohl ich sie nicht möchte.

Unter Druck stehend, weil ich gewisse Erwartungen aus dem Außen eben immer erfüllt habe.

Pflichtbewusst, weil es einfach stets von mir und meinem Verantwortungsgefühl bedient wurde.

Ich funktionierte, aber ich missachtete dabei meine Grenzen.

Ich fragte mich:

Warum bin ich immer so erschöpft ?

Weil ich zu wenig Nein sage.

Weil ich mich viel zu oft verantwortlich fühle.

Weil ich für andere funktionieren muss, damit es keinen Ärger oder Aufschrei gibt.

Weil ich nicht auf meine innere Stimme höre.

Weil andere meine Grenzen nicht kennen oder in Kauf nehmen, sie nicht zu beachten.

Weil ich gutmütig denke, dass es schon okay ist.

Mittlerweile schreit meine Intuition

Pass auf dich auf.

Grenz dich ab.

Bleib bei dir.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  • Antworten MyMindPix 13. November 2017 um 13:49

    Ich kenne den Drang mich anderen Wünschen zu beugen – Eigene Grenzen nicht hoch genug einzuschätzen und sie damit zu umgehen. Was dabei auf der Strecke bleibt zeigt sich vor allem im Umgang mit dem eigenen Wert.

    • Antworten Jane 13. November 2017 um 13:58

      Hallo – danke für deine Gedanken dazu. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, sich besser abzugrenzen. Vor allem von den Erwartungen der anderen, die man meist sowieso nicht 100%ig erfüllen kann. Mir fällt das selbst auch schwer. Um mich besser zu schützen und auch, um mich besser zu fühlen, grenze ich mich mittlerweile in vielen Bereichen mehr ab. Dies muss natürlich jeder für sich allein zufriedenstellend beantworten. Ich hoffe, dass du es schaffst, deinen eigenen Wert nicht von den Grenzen anderer abhängig zu machen. Das finde ich essentiell.
      Deine Grenzen sind deine Stoppschilder, die keiner einfach so „überrollen“ sollte – nur muss das dem Gegenüber auch klar sein.
      Liebste Grüße, Jane

  • Antworten Gefühle in Extremen - The inner me 25. Januar 2018 um 11:26

    […] Handeln bestimmten ab hier meine Jugend. Ich reizte das in jeder Hinsicht aus und bekam kaum Begrenzung durch meine […]

  • Antworten Verantwortung für dich - The inner me 21. Juni 2018 um 20:33

    […] dir gegenüber verhalten – so wie es Kinder immer bei ihren Eltern tun. Und du hast meine Grenzen einfach schon immer […]

  • Antworten Ignoranz - The inner me 15. August 2018 um 20:33

    […] Dein Herz, dein Bauch, deine Lebenserfahrung und deine Wertvorstellungen entscheiden darüber – meist unbemerkt wandelst du deine inneren Bilder von Menschen, Situationen, Dingen, die unwichtig werden und sich langsam neu aufzeigende Denkweisen entwickeln. Im Laufe deiner Persönlichkeitsentwicklung spürst du deutlich, wann Zeit ist, einige Zelte abzubrechen. […]

  • ICH FREUE MICH ÜBER DEINEN KOMMENTAR, DEINE ANREGUNGEN, DEINE GEDANKEN

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