Ein Brief an dich

Foto: Jane

Ich habe lange überlegt, ob ich dir diese Zeilen schreibe.

Dann habe ich den Stift in die Hand genommen

und wollte die weißen Briefbögen mit meinen Gedanken füllen.

Wieder und wieder habe ich nachgedacht, wie ich dir all das sagen kann, was mich bewegt.

Und oft fühlte es sich so an, als ob ich das das Papier innerlich anschrie:

„Los, kleide dich endlich mit meinen Worten….!“

Heute ist es soweit. Briefpapier habe ich gerade keines. Alles, was ich dir sage, kommt ganz ungefiltert aus mir heraus.

Wir trafen uns das erste Mal und es war um mich geschehen. Wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander und Du zeigtest mir, wie schön es sich anfühlt, geborgen zu sein.Wir bekannten uns zueinander und du begleitetest mich jeden Tag. Du hast mir unglaubliche Freude geschenkt und mich tiefem Schmerz ausgesetzt.

Ich habe deine Hand genommen, als ich sie brauchte und du hast mich geführt. Ich vertraute dir. Ich habe nach dem Motto gelebt:

„Alles oder nichts …!“

Mit dir an meiner Seite habe ich schwere Zeiten durchstanden. Nur durch diese Schattenseiten habe ich das Leben dankbar angenommen und einige Schicksalsschläge verkraftet.Wir sind durch viele dunkle Stunden zusammen gewachsen. Du warst immer da, wie ein Fels in der Brandung.

Ich habe durch deine Wärme gelernt, was es heißt, bedingungslos zu sein. Ich habe mich in deine Arme fallenlassen und war das kleine Mädchen, welches du sehr lange beschützt hast.

Allerdings hast du mir viel versprochen, was du nicht halten konntest. Du hast lange Zeit versucht, mir zu entsprechen.

Wir haben uns  Sorgen gemacht. Eigentlich hatten wir beide nur Angst vor der Wahrheit.

Du hast es dir nicht leicht gemacht. Wir haben immer versucht, dass Beste zu geben. Zu leben. Zu Träumen. Zu Schwören. Zu vergessen. Verziehen habe ich dir deine Launenhaftigkeit. Dafür warst du zuverlässig und treu. Du toleriertest meine fordernde Art und meine oft viel zu hohen Erwartungen an dich.

Dies tut man, wenn es wirklich zählt. Wenn es wichtig ist.

Wir haben beide investiert – mal mehr, mal weniger. Man kann nicht immer ausgleichend geben und nehmen.

Für uns war glasklar, dass wir zusammenbleiben – bis ans Ende unserer Tage. Das war mein Traum: wir beide, glücklich.

Hand in Hand.

Dieses herrliche Idealbild.

Eine rosarote Wolke, von der wir für immer winken und mit welcher wir an Problemen und Sorgen einfach vorbeiziehen. Du machtest mich damit sehr glücklich. Und du machtest mich blind.

Vergessen habe ich nicht, wie du mich ermahnt hast. Dann sagtest du, dass ich mit meinen Worten vorsichtig sein soll, um nicht zu verletzen. Meine manchmal unsensible Art hat dich ab und an abgeschreckt.

Wir waren auf Reisen mit unendlich vielen Träumen im Gepäck … haben zusammen die schönsten Sonnenuntergänge, Regenbögen, Meere und Strände bewundert und genossen. Aber was wir auch für Distanzen überbrückten, am Ende zählte, dass du an meiner Seite einschläfst.

In Zeiten, in denen ich traurig war, hast du mich aufgefangen. Das war für dich selbstverständlich. Du hast mir das Taschentuch gereicht und ich habe schluchzend an deiner Schulter geweint. Wenn es dir mal nicht gut ging, dann habe ich dir Mut gemacht und zugeflüstert, dass wir das schon schaffen.

Manchmal mussten wir ganz schön die Zähne zusammenbeißen, dass wir nicht am Leben zerbrechen, uns der Alltag verschlingt. Dann schafften wir uns Höhepunkte, um die Routine zu durchbrechen.

Das alltägliche Hamsterrad sollte uns nicht das Genick brechen.

Unser größtes Glück hielt ich lächelnd 2013 im Arm. Ich kann bis heute kaum ansatzweise beschreiben, wie ich mich damals gefühlt habe … durch dich wurde ich zur Mutter und ich fühle jeden Tag Dankbarkeit dafür. Es gab Hochs und Tiefs. Anfangs haben wir die Balance sehr gut hinbekommen.

Wir nahmen uns Zeit füreinander. Ich vernahm mehr und mehr eine seltsame Stille zwischen uns und ein dumpfes Leeregefühl in meinem Bauch.

Heute weiß ich: wir haben zu lange gewartet. Dies wurde mir klar, als du von einem Tag auf den anderen traurig deinen Mantel genommen hast … auf dem Weg zur Tür hast du dich noch einmal umgedreht und mir einen aufmunternden Blick zugeworfen.

Dann warst du lange weg. Du zeigtest dich ab und an, dass war deine Pflicht.

Ich konnte dich nicht mehr spüren.

Nur noch verwaschene oder zwanghafte Emotionen in mir. Ich wollte die Kontrolle über dich und hatte rein gar nichts in meinen Händen, um dich festzuhalten.

Ich habe Zeit gebraucht, um dir wieder in die Augen sehen zu können. Erst einmal habe ich heulend auf dem kalten Küchenboden gehockt. Sehr oft. Ich habe dich gehasst für deine Kaltschnäuzigkeit, deine Ignoranz. Du hast mich maßlos enttäuscht und wütend allein gelassen. Du konntest es mir noch nicht einmal sinnvoll erklären, warum du mich verlassen hast. Doch ich verstand mit der Zeit, dass du dies tun musstest.

Du hast mir dadurch noch mehr von dir gezeigt und ich habe Seiten an dir entdeckt, die ich vorher nicht kannte. Teile aufgedeckt, die ich nicht zuzuordnen wusste.

Ich möchte dir sagen, dass ich dankbar bin.

Du hast mich zu dem geformt, was ich heute bin. Du hast mir den Rücken gestärkt und mir sehr viel meiner Tiefe im Herzen und meiner Seele geschenkt.

Du hast mich zu einem guten Freund gemacht, zu einer sorgenden Mutter, zu einem Menschen, der ehrliche Dankbarkeit im Herzen trägt und sie auch zeigen kann.

Nachdem du mir eine Stimme gegeben hast, traue ich mich, laut in die Welt zu sprechen. Ich habe meinen eigenen Wert erkannt, weil ich ihn nicht mehr an dir gemessen habe.Dies hat mich persönlich sehr reifen lassen. Es hat mich stark gemacht.

Du hast mich geprüft, dadurch konnte ich mich entwickeln. Ich schaffe es jetzt zu mir zu stehen und mir treu zu bleiben, auch wenn es nicht jedem gefällt.

Ich habe den Mut gefunden, meine Wut rauszulassen, wenn sie in meinem Bauch wütet und meine Freude ehrlich mit anderen zu teilen.

Du warst es, der mir unmissverständlich gezeigt hat, dass es nie endet.

Dank dir fühle ich wieder Freude, noch mehr Tiefe, etwas mehr Selbstlosigkeit, weniger Zwang und endlich wieder … Liebe.

Du LIEBE, ich danke dir.

Es ist schön, dass es dich gibt.

(Post Note: Wenn du Musik magst, Speaker einschalten,

Musik von Angus & Julia Stone)

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  • Antworten Wie verliebt bist du eigentlich gerade ... ? - The inner me 22. September 2017 um 12:25

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  • Antworten Sebastian Runow 25. September 2017 um 12:14

    So ein schöner Beitrag! Die Pointe gefällt mir und wer ist nicht schon einmal selbst über dieses Thema gestolpert 🙂

    • Antworten Jane 26. September 2017 um 12:20

      Danke Dir Sebastian, das ist eine Herzensangelegenheit. Ich freu mich, dass dir der Artikel gefällt.

  • Antworten Carola 29. September 2017 um 18:12

    Carola (Du weißt schon) Das gefällt mir sehr. Es macht mich glücklich und traurig und stellt Fragen… Stolz bin ich, das fühlt sich gut an… Deine, Du weißt schon?

    • Antworten Jane 1. Oktober 2017 um 14:20

      Danke für deine berührenden Worte und für mich fühlt es sich gut an, dass ich dich erreicht habe. Schön, dass du mir diese Zeilen geschrieben hast.

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